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Funkmeßstationen.
Seit dem Beginn des 2. Weltkrieges baute man auf den Inseln Wollin und Usedom verschiedene Arten von Funkmeßstationen, die bei Kriegsmarine und Luftwaffe im Einsatz waren. Der Besitz von einem Militärradar (“Funkmeß”) war damals eine große Errungenschaft der Technik. Nur einige Länder benutzten im Krieg Funkmeß-/Radaranlagen deutsche elektrotechnische Industrie erzielte auf diesem Gebiet große Erfolge. Man baute funktionierende Ausführungen dieser Geräte für Luftwaffe, Artillerie und Kriegsmarine. Immer neuere Geräte musste man in der Praxis ausprobieren und sie unter Gefechtsbedingungen überprüfen. Die auf beiden Inseln stationierten Küstenartillerie- und Flakartillerieeinheiten, die hiesigen Fliegerhorste oder sogar die Raketenversuchsstelle in Peenemünde waren an der Durchführung solcher Erprobungen beteiligt.
Die größte deutsche Errungenschaft auf diesem Gebiet war das Entwerfen und Konstruieren von einigen komplizierten Funkmeßsystemen, die zur Lenkung der Jäger und sogar der Raketen dienten. Spuren von solchen Installationen sind bis heute auffindbar. Heutzutage sind es nur Reste der Betonfundamente und Bunkerruinen. Damals waren es streng bewachte Objekte, für die höchste Geheimnishaltungsstufe angeordnet war.
Die Anfänge der deutschen Funkmeßanlagen.
An der Ausnutzung von Rundfunkwellen zur Lokalisierung von Objekten arbeitete man in Europa und in den USA bereits in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Bedeutende Fortschritte erzielten in diesem Bereich Briten, Amerikaner und Deutsche. Einige weiteren Länder standen am Beginn der Entwicklung. An der Entwicklung von Funkmeßanlagen arbeitete in Deutschland u.a. Dr. Kühnhold, der Gründer der Firma GEMA. Als einer der ersten versuchte er, solche Geräte zu bauen, die im ultrakurzen Bereich von 125 MHz arbeiten sollten. Sein erster gelungener Prototyp, der auf einem drehbaren Sockel gesetzt war und über Richtantennen verfügte, stellte er den Offizieren und den Beamten der Kriegsmarine vor. Die Vorführung fand am 24. Oktober 1934 in der Lübecker Bucht statt. Die Antennen der Station wurden auf das auf der Reede verankertes Forschungsschiff "Welle" gerichtet. Die Geräte der Station sollten die Reflexion der Wellen vom Schiffsrumpf registrieren und seine approximative Entfernung und Richtung angeben. Bei der Vorführung wurde er Wellenstrahl durch ein zufällig vorbeifliegendes Flugzeug des Typs "Junkers" überschnitten. Auf den Anzeigern beobachtete man zwei Reflexe, die man für die Störungen bei der Arbeit der Station gehalten hat. Erst später hat sich herausgestellt, dass die Apparatur auch das Luftziel entdeckt hatte.
Die Marine achtete auf dieses zufällige Ergebnis des Versuches nicht und trotz einer Anweisung von 70.000 Reichsmark für weitere Untersuchungen wurde den neuen, sich damit bietenden Möglichkeiten wenig Beachtung geschenkt. Den Konstrukteur machte das jedoch neugierig. Er beschloss, die Arbeiten auf den Bau von Geräten zur Ortung der Luftobjekte auszudehnen.
Die Anstrengungen von Kühnhold fielen zeitlich mit Arbeiten in den Forschungsstätten von "TELEFUNKEN" und "LORENZ" zusammen. Diese Werke entwickelten in kurzer Zeit den Prototyp einer FlugabwehrfrühwarnFunkmeßstation, die auf einer Wellenlänge von 2,4 Meter und damit mit einer Frequenz von 125 MHz arbeitete. Die neue Station war mit Richtantennen des Typs "Tanne" ausgerüstet und konnte Luftziele in einer Entfernung von 40 - 75 km orten. Dieses Gerät wurde zum Vorbild für die spätere Baureihe deutscher Funkmeßstationen des Typs "Freya".
Ende 1938 wurde das erste funktionierende Exemplar vom Typ A 1 "Freya", das für Verfolgen der Luftsituation und zum Warnen eigener Kräfte bestimmt war, in Betrieb genommen. Ein zweites Exemplar dieser Bauart wurde bei der Invasion auf die Tschechoslowakei eingesetzt. Im September 1939 verfügte Wehrmacht über 8 Stationen vom Typ "Freya", davon waren einige an der Nord- und Ostseeküste stationiert. Die erste Station an einer Küste richtete man in Swinemünde ein.
Das Funkmeßgerät "Freya" bestätigte schnell seine Brauchbarkeit in der Praxis unter realen Betriebsbedingungen. Am 18. Dezember 1939 entdeckten die Stationen auf den Inseln Helgoland und Wangerooge drei Staffeln britischer "Wellington" Bomber, die Kriegsmarinebasis in Wilhelmshaven angreifen wollten. Nach der Entdeckung und der Ortung der Formation wurden eigene Jäger zum Abfangen geschickt, die 34 britische Maschinen abschossen. Nach diesem für die RAF folgenschweren Debüt der deutschen Funkmeßgeräte verzichtete die britische Luftwaffe auf Tagesluftangriffe auf Deutschland. Die Befehlshaber der Luftwaffe sahen einen Eilbedarf für die Einführung der Funkmeßstationen in den Dienst. Die Bemühungen der Konstrukteure richteten sich u.a. auf den Bau einer Funkmeßstation, die mit der Flakartillerie zusammen arbeiten könnte.
Die damalige deutsche - im Vergleich mit anderen Staaten sehr moderne - Flak stütze sich jedoch auf die klassische Feuerleitung. Das Tagesschießen erfolgte unter Anwendung von einem Entfernungsmesser und einem Übertragungsgerät, die in dem sog. Kommandogerät integriert waren. Immer neuere Ausführungen von diesen Geräten, halbautomatische und automatische, die in den Berechnungen die Zielkoordinaten, Wetterbedingungen und Munitionsart berücksichtigten, waren machtlos bei großer Flugzeugdichte, über Ballungsgebieten und in der Nacht. Unter schlechten Sichtverhältnissen benutzte man zwar die Horchgeräte, aber ihre Genauigkeit ließ sehr zu wünschen übrig.
Eine Chance für einen Durchbruch in der Taktik der Flak gaben die neuen Funkmeßgeräte. Am Kriegsanfang versuchte man die "Freya"-Geräte in Zusammenarbeit mit der Flak zu nutzen, aber ihre geringe Genauigkeit war für diesen Einsatzzweck zu gering. Die Firma "LORENZ" hat dann zwei Varianten von kleinen Artillerielenkstationen auf den Markt gebracht. Die erste, als FuMG 38L "KURFÜRST" bezeichnet, bestand aus zwei parabolischen Antennen mit dem Durchmesser von 2,4 m auf einem gemeinsamen drehbaren Mast befestigt, der auf die Lafette einer 8,8 cm Flak aufgebaut wurde. Eine Modifikation dieses Gerätes war das FuMG 39L "KURPFALZ", bei dem der Mast auf das Dach eines Kofferaufbaus gesetzt wurde, in die Sende- und Empfangsapparatur eingebaut wurde. Ca. 20 Stück solcher Stationen stationierte man 1940 im Ruhrgebiet zum Test unter Kampfbedingungen. Das letzte Modell dieser Ausführung war das Funkmeß FuMG 40 L "KURMARK".
Einen weiteren wichtigen Durchbruch erzielte erst die Firma "TELEFUNKEN", die schon seit 1936 an einem kleinen ArtillerieFunkmeß gearbeitet hatte. Die erste Versuchsstation dieser Firma war die Funkmeßstation A 3 "Darmstadt", die als Vorbild für weitere Entwicklungsvarianten vom Typ "Mainz" und "Mannheim" diente. In diesen Geräten verzichtete man auf die Gerippeantennen oder die bislang verwendeten Antennen vom Typ "Matratze" zugunsten von integrierten parabolischen Sende- und Empfangsantennen mit einem Durchmesser von 3 m. Das Funkmeß "Darmstadt" besaß eine Reichweite von 10 km bei einer Ortungsgenauigkeit von ± 100 m und einer Genauigkeit der Winkelmessung senkrecht und waagerecht von ± 1 Grad
Der Prototyp eines anderen Funkmeßgerätes, hergestellt von "TELEFUNKEN" und als FuMG 39T bezeichnet, stellte sich schließlich als die gelungenste Ausführung eines Flak-Funkmeßgerätes im 2. Weltkrieg heraus. Im Herbst 1939 begann man mit Serienfertigung der Geräte vom Typ FuMG 62 "Würzburg". Seine weiteren Verbesserungen bildeten bis zum Schluss die Funkmeßgrundausrüstung der deutschen Flakartillerie. Dank einer breiten Einführung dieser Station verbesserte man erheblich die Wirksamkeit der Bekämpfung der alliierten Flugzeuge.
Viel größere Möglichkeiten im Einsatz von Funkmeßgeräten boten die Entwürfe der Funkmeßlenksysteme. Bevor man die ersten Prototypen herstellte, benutzte man zur Erkennung und zur Lokalisierung feindlicher Bomberformationen die Funkmeßanlagen vom Typ "Freya". Ihre Aufgabe übernahmen später teilweise die Geräte "Würzburg-Riese", bis man schließlich die Konzeption des Zusammenwirkens und der gegenseitigen Ergänzung im gleichzeitigen Einsatz beider Geräte erarbeitet hatte. Das Aufkommen von RundsichtFunkmeßgeräten, die den Luftraum rund um eigene Stellung absuchten, schuf die Voraussetzungen zur Entwicklung verschiedener Arten von Jägerleitsystemen, später sogar von Luftabwehrraketen. Nach den Fortschritten der deutschen elektrotechnischen Industrie wurden die Funkmeßgeräte ein Dorn im Auge der alliierten Luftwaffe. Im Februar 1942 wurde sogar ein Kommandounternehmen britischer Spezialkräfte durchgeführt, die mit Fallschirmen in der Gegend von Le Havre (Bruneval) abgesprungen sind, um die Besatzung einer Funkmeßstation zu überwältigen und die wichtigsten Teile der "Würzburg“- Funkmeßanlage zu demontieren. Die genaue Untersuchung des eroberten deutschen Funkmeßgerätes ließ eine einfache und erfolgreiche Störmethode entwickeln, die auf dem Abwerfen von Alustreifen beruhte.
Nach dem Krieg dienten die eroberten Funkmeßgeräte und die entworfenen Projekte als Vorlage bei der Konstruktion eigener Anlagen durch die Staaten der alliierten Koalition. Man beschäftigte dabei Dutzende von deutschen Konstrukteuren, Ingenieuren und Technikern, die früher in den Rüstungswerken Hitlers tätig waren.
Viele spätere Entwicklungen auf diesem Gebiet waren dank der Nutzung der Arbeitsergebnisse an den deutschen Funkmeßanlagen möglich.
Die Funkmeßstationen auf den Inseln Wollin und Usedom.
Die erste Funkmeßstation, die auf der Insel Usedom gebaut wurde, war ein Gerät vom Typ "Freya", das in das Luftwarnsystem der Kriegsmarinebasis in Swinemünde eingebunden war. Mindestens zwei solcher Stationen befanden sich im Dienst der Kriegsmarine im Ostseegebiet. Ihre Aufgabe war, den Luftraum über den Kriegshäfen in Pillau und Swinemünde zu überwachen. Diese Häfen wurden als Hauptangriffsbasen der deutschen Flotte im geplanten Angriff auf Polen vorausgesehen. In Swinemünde konzentrierte man die Mehrheit der Einheiten der Kriegsmarine, die Garnisonsobjekte dienten als Gefechtsstand und Hinterland für die deutsche Ostseeflotte. Im Kriegsplan sah man voraus, dass der Hafen in Swinemünde zum Luftangriffobjekt werden könnte.
Als Standort des Flugabwehrkommandos der Basis wählte man ein altes Fort aus dem XIX. Jhd. "Engelsburg", das bis dato als Hilfsobjekt der Garnison diente. Man nutzte die Rotundekonstruktion des Bauwerkes aus und baute die obere Beobachtungsplattform um. Auf ihrer Spitze brachte man die Kabine der Sende- und Empfangsgeräte und den Antennenmast an.
Aus den heutigen Überresten lässt sich schwer schlussfolgern, ob die gleiche Ausführung von "Freya" hier bis zum Kriegsende in Betrieb war. Die erhaltene Kabine für die Besatzung und die Geräte deutet auf eine Station vom Typ FuMG 401 A "Freya-LZ" hin. Es ist jedoch bekannt, dass diese Geräte im Krieg verschiedenen Veränderungen der Antennensysteme unterlagen.
Ein Riesenfortschritt im Bau der deutschen Funkmeßanlagen war ihre modulare Bauweise, die Modifikation einzelner Module in der in Betrieb befindlichen Station oder das Anschließen weiterer Module ermöglichte. Auf diese Weise modernisierte Anlagen erhielten neue Bezeichnungen, obwohl sie sich von der früheren Variante nicht wesentlich unterschieden. Als man im Jahre 1942 begann, die ersten Störungssender der Stationen "Freya" anzuwenden, wurde ein einfaches Gegenmittel eingeführt, der darauf beruhte, dass man die Frequenzen der Sender und der Empfänger wechselte. Nach der Einführung der schon erwähnten Störungsmethode der Geräte durch den Abwurf von Alustreifen durch die Briten entwickelte man die störsichere Version des Geräts "Freya-Laus".
Im Krieg lieferten die Firmen "AEG" und "TELEFUNKEN" dem Militär weitere Modelle der Station "Freya", die auf Frequenzen von 162 bis 200 MHz arbeiteten. Für Luftwaffe erhielten sie die Bezeichnung FuMG 451 "Freiburg", und für die Kriegsmarine FuMG 321 - 328. Ihre Anpeilungsreichweite betrug bis 130 km. Bei Einführung neuer Ausführungen wurden die Antennen vom Typ "Yagi-Matratze" verwendet.
1941 begann man mit Versuchen zur Anwendung zweier "Freya"-Stationen zur Lenkung eigener Jäger. Den Treffkurs der Flugzeuge mit dem Ziel zeichnete man auf einem sogenannten Seeburgtisch auf; die notwendigen Kommandos gab man über Funk an die Jäger weiter. Eine Station verfolgte die gegnerischen Flugzeuge, die andere führte die Jäger. Diese Methode erhielt den Decknamen "Erstling", sie wurde 1943 verbessert und "Egon" genannt.
Einige Überreste im westlichen Artilleriefort in Swinemünde deuten darauf hin, dass neben einem Beobachtungsbetonbunker ein Stahlturm mit oben eingebauter Funkmeßanlage existierte. Vorausgesetzt, dass sie vom Typ "Freya" war, haben wir mit dem ersten Versuchsystem der Funkmeßlenkung in Swinemünde zu tun. Die "Freya"-Anlage im Fort "Engelsburg" wurde aufgrund ihrer großen Reichweite im Verbund mit der Luftabwehr des Hafens in Swinemünde betrieben. Ihre Aufgabe war es, die vom Norden kommenden gegnerischen Flugzeuge zu orten. Die entdeckten Luftformationen oder einzelne Flugzeuge wurden annähernd angepeilt. Die ermittelten Werte wurden dann ins Warnnetz der eigenen Luftwaffe und an die umliegenden Flakbatterien übertragen. In den Flakbatterien wurde dann die Führung und die Anpeilung des Zieles durch ihre eigenen Funkmeßgeräte übernommen. Das Flugabwehrkommando und das Netz der Beobachtungs- und Meldungsposten bedienten die Marinesoldaten von der 3. Marineflugmeldeabteilung.
Bis Herbst 1939 baute man auf den Inseln Wollin und Usedom westlich und östlich vom Marinehafen in Swinemünde 10 schwere Flakbatterien aus. Im Krieg wurde ihre Anzahl mindestens um die Hälfte vergrößert. Die Batterien stattete man nach und nach mit Funkmeßanlagen zur Feuerleitung aus. Die bekannteste unter ihnen war die "Würzburg"-Anlage.
Die ArtillerieFunkmeßgeräte "Würzburg" FuMG 62 wurden ab 1939 in Serie produziert. Diese Anlagen montierte man auf einem offenen Radanhänger mit 2 Achsen. Die parabolische Antenne hatte einen Durchmesser von 3 m. Die Plattform mit der Antenne und Sende- und Empfangsgeräten konnte um 360 Grad gedreht werden. Die bewegliche Befestigung der Antenne ermöglichte noch Schwenkungen vom 0 bis zum 90 Grad in der Vertikale. Die Station konnte also den Luftraum in allen Richtungen überwachen.
Die "Würzburg"-Geräte hatten eine Reichweite von 40 km bei einer Meßgenauigkeit von ± 80 - 120 m. Die Genauigkeit der Winkelmessung betrug ± 1,5 - 2 Grad waagerecht und senkrecht. Dies waren an sich recht gute Parameter, jedoch reichten sie für die genaue Feuerleitung der Batterien nicht aus. Um die Zusammenarbeit mit dem Zentralgerät der Batterie zu ermöglichen wurde ein Umrechnungsgerät "Malsi" verwendet. Bei solch einem Gerätesatz konnten die Batterien ein wirksames Sperrfeuer anhand der Funkmeßanzeigen führen. Seit 1940 verbesserte man nach weiterer Verbesserung der Station FuMG 39 T/C die Parameter. Die Genauigkeit der Winkelmessungen senkrecht und waagerecht erhöhte man auf Bruchteile eines Grades. Die Ausführung D EAG 62 "Emil" erreichte schon eine Entfernungsmessgenauigkeit zwischen ± 25 und 40 m. Die verbesserten Stationen konnte man direkt mit dem Zentralgerät der Batterie durch das Übertragungsgerät 37 koppeln. Die endgültige Ausführung der Station FuMG 62 D "Würzburg D" kam ab 1942 zur Serienfertigung. Bis zum Kriegsende lieferte man dem Militär etwa 4000 Exemplare dieser Geräte. Zum Kriegsende war die Mehrzahl der Flugabwehrbatterien auf den Inseln Wollin und Usedom mit den Funkmeßanlagen zur Feuerleitung ausgestattet. Es überwogen die "Würzburg"-Geräte, obwohl man auch ähnliche Konstruktionen vom Typ "Marbach" und "Mannheim" benutzte. Das Interessante an der letztgenannten ist, dass sie den Flug von Raketen beobachten und diese auch lenken konnte.
Im Laufe des Krieges baute man auf der Basis der elektronischen Ausrüstung der "Würzburg D"-Anlage ein großes Funkmeßgerät - das FuMG 65 "Würzburg-Riese". Es war eine riesige Konstruktion mit dem Gesamtgewicht von ca. 18 Tonnen. Wegen des Ausmaßes und des Gewichtes brachte man sie auf drehbaren Sockeln, die auf Betonfundamenten gesetzt wurden, auf Schiffsgeschütztürmen und auf Eisenbahnplattformen an. Eine parabolische Antenne mit einem Durchmesser von 7,5 m wurde auf einem speziellen Heber befestigt, als Gegengewicht diente die Kabine für Besatzung und Geräte. Die durchbrochene Antennenkonstruktion wurde aus Dural-Elementen angefertigt - ähnlich wie bei der Konstruktion von Luftschiffen. Die Anlage zur Fernsteuerung der elektrischen Antriebe der Station, erarbeitet von "AEG", ermöglichte das Bedienen des Funkmeßgerätes von tragbaren Bedieneinheiten, die sich im Bunker oder auf dem Beobachtungsturm befanden.
Die Station "Würzburg-Riese" besaß eine Reichweite von 50 - 70 km mit einer Meßgenauigkeit von 40 - 60 m und eine ungewöhnlich präzise Messung der Winkelwerte senkrecht und waagerecht, deren Abweichung maximal ± 0,2 Grad betrug. Dank solcher Leistungen eignete sich die Station zur Luftbeobachtung, Jägerleitung, Zusammenarbeit mit der Flak und zur Peilung für die Kriegsmarine. Wegen des engen Richtstrahls hatte die Würzburg-Riese Anlage erhebliche Probleme bei der Erfassung schnellfliegender Einzelziele. Um diesen Nachteil zu beseitigen, musste man eine Kombination mit einem "Freya"- Gerät nutzen.
Im 1944 baute man auf den Ostseedünen in Swinemünde am Ende der heutigen Uzdrowiskowa Straße zwei sechseckige Betonsockel, die als Fundamente von Funkmeßstationen genutzt wurden. Die Betonsockel waren etwa 25 m voneinander entfernt. Zu gleicher Zeit baute man entlang der Ostseeküste weitere Stationen "Würzburg-Riese" auf identischen Betonsockeln auf. Diese Stationen bildeten die Grundlage der Küstenbeobachtung.
Es handelte sich um einzelne Stationen, voneinander jeweils einige Dutzend km entfernt. Die Stationen in Swinemünde waren also kein normaler Funkmeßposten, sondern ein Versuchsleitsystem.
In dieser Zeit arbeitete man an den Prototypen zweier Funkmeßlenksysteme. Das erste, mit dem Namen "Egerland", bestand aus einem Satz von zwei Stationen FuMG 74 "Kulmbach" und FuMG 76 "Marbach". Das System "Egerland" diente zur Leitung des Flakfeuers. Das Weitsuchgerät "Kulmbach" besaß eine drehbare Dipolantenne und suchte den Luftraum um die Stellung herum mit der Geschwindigkeit von 20 Drehungen/ Minute ab. Die Station "Marbach" übernahm die von "Kulmbach" georteten Ziele und erarbeitete Feuerdaten für die Artillerie. Der Gefechtsstand des Systems mit allen Anzeigern und der Umrechnungsapparatur befand sich auf einem speziellen Aufbau 74/76 "Bayern". Die "Marbach"-Station besaß außer der Parabolantenne mit einem Durchmesser von 4,5 m eine spezielle optische Einrichtung, mit der sie das Ziel bei gegebener optischer Sicht verfolgen konnte. Beide Stationen arbeiteten auf einer Wellenlänge von 9 cm. Das System besaß eine maximale Reichweite von 50 km. Unter gleichzeitiger Nutzung der "Marbach"- Station konnte man die Entfernung zum Ziel mit einer Genauigkeit bis zu 35 m und seine Koordinaten mit einem Messfehler nicht größer als 1 Grad berechnen. Das "Egerland"-System wurde nach dem Krieg Ausgangsgrundlage für viele Feuerlenksysteme der Artillerie und der Raketen. Bis zum Kriegende wurden nur zwei Versuchsanlagen in Dienst gestellt.
Der zweite Typ eines Funkmeßlenksystems war das Gerät FuMG 75 "Mannheim-Riese". Dieses System bestand aus der Station FuMG 64 "Mannheim" und FuMG "Würzburg-Riese". Alle technischen Einrichtungen und die Fernsteuergeräte befanden sich ebenfalls in einer "Bayern"-Kabine. Die Reichweite des Systems betrug 84 km bei einer Meßgenauigkeit von ± 12 m. Der maximale Fehler bei der senkrechten und waagerechten Ziellageberechnung überschritt 1 -1,5 Grad nicht. Mit der Achse der Antenne der "Mannheim"-Station war das optische Gerät zur visuellen Zielverfolgung gekoppelt.
"Mannheim-Riese" war das modernste Funkmeßlenksystem, das von der deutschen Industrie entwickelt wurde. Dank seiner technischen Möglichkeiten konnte es zur Steuerung der Luftabwehrraketen verwendet werden. Die Apparatur war unempfindlich gegen die Störungen, die vom gegnerischen Abwurf von Alustreifen ausgingen. Bis zum Kriegsende wurde das System jedoch nicht mehr in Serie produziert.
Die Versuchsstation auf den Dünen in Swinemünde war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein "Mannheim-Riese"-System oder, von der Form der Betonfundamente ausgehend, eine andere Kombination der Stationen "Würzburg-Riese" und "Kulmbach". Es scheint möglich, dass die Versuchsstelle nicht nur im Zusammenhang mit den Versuchsarbeiten und Schulungen des Bedienpersonals der Funkmeßstationen im Rahmen der damals in Swinemünde stationierten Flakschuleinheit der Kriegsmarine stand, sondern auch mit Versuchen mit Flugabwehrraketen.
Weiterhin ist es möglich, dass diese Stelle Peilungen durchzuführen hatte und die Reichweite der V1- und V2-Geschosse bestimmen sollte. In beiden Fällen bestand also ein Zusammenhang mit der Raketenversuchsstelle in Peenemünde und mehreren anderen Versuchseinheiten. Alle Funkmeßanlagen und Lenkungssysteme waren damals militärische Geheimnisse, die streng vor den Geheimdiensten anderer Staaten geschützt wurden. Viele Wehrmachtsoldaten, die damals Dienst in den herumliegenden Einheiten leisteten, hatte keine Ahnung über die Bestimmung der merkwürdigen Antennen und Geräte. Der Zugang zu den Betriebsstellen unterlag einer strengen Kontrolle.
Nach dem Krieg wurden alle dortigen mit Funk- und Funkmeßgeräten ausgestatteten Objekte durch Russen besetzt. Auf den später an die polnische Verwaltung übergebenen Gelände und in den ehemaligen deutschen Militäranlagen wurden sorgfältig jegliches Geräte demontiert. Ein Teil von ihnen wurde zu genauen Untersuchungen nach Russland gebracht, den Rest vernichtete man unter strengster Geheimhaltung.
In den 50er und 60er Jahren wurde die Sowjetische Armee mit Funkmeßgeräten ausgerüstet, die erstaunlicherweise den Geräten deutscher Herstellung ähnelten. Dabei hat man viele Ideen und Lösungen verwirklicht, die von den deutschen Konstrukteuren im Krieg nicht vollendet wurden. Viele von ihnen mussten übrigens an der Entwicklung der sowjetischen Funkmeßtechnik persönlich teilnehmen.
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